Marienplatz

Plätze gibt es viele in Stuttgart. Doch nur weil ein Ort den Zusatz „Platz” in seinem Namen trägt, heißt das in dieser Stadt noch nicht, dass er seiner grundlegenden architektonischen Definition entspricht – einer umbauten, freien Fläche. Die Vision einer auto-gerechten Stadt des vergangenen Jahrhunderts hat auch in Stuttgart Spuren hinterlassen. Einige Plätze liegen versteckt unterhalb zentraler Verkehrsknoten (Österreichischer Platz), sind eigentlich bloß Kreuzungen (Stöckachplatz) oder erfüllen Ihr Versprechen erst dann, wenn man unterirdisch am Bahnsteig steht (Charlottenplatz). Der Marienplatz bildet eine Ausnahme.

Obwohl die heute karge Fläche seit seiner jüngsten Umgestaltung (2003) bei einigen Bürger:innen nachhaltig für Enttäuschung zu sorgen scheint und die wenigen Kastanien am Rande des Platzes, die dominierende graue Ödnis nur unwesentlich entschädigen, funktioniert dieser Platz dennoch als Knotenpunkt, Ort des Verweilens, Marktplatz und Treffpunkt. Nachbar:innen begegnen hier bekannten Gesichtern, als Platz der Versammlung dient er politischen Aushandlungen. Einst aus Liebe von König Wilhelm II. als Rosengärtchen angelegt und nach seiner Frau Marie zu Waldeck und Pyrmont benannt (1876), später zum Ausganspunkt der Zahnradbahn (Zacke, 1884) ergänzt, ist der Marienplatz Zeitzeuge einer ereignisreichen Vergangenheit. Gestalt, Funktion und Name unterlagen den Prozessen seiner Zeit. Zeitweilig als Manege – einige Jahre stand hier der „Cirkus Bavaria” (bis 1916) samt Tieren und Kompanie – dann von den Nazis instrumentalisiert (Umbenennung in „Platz der SA"), wurde der Marienplatz in der Nachkriegszeit von Anwohner:innen als Anbaufläche für Gemüse genutzt. Die Rosenrabatten wurden zur Ernährung der Bevölkerung durch Kleingärten ersetzt, so kam der Marienplatz zu seinem Spitznamen „Platz der Tomaten"…

VERANSTALTUNGEN:

17.09.2021 / 10.00 Uhr Manifestations of Biodiversity

Der Marienplatz ist Treff- und Startpunkt der zweiten Etappe der nomadischen Forschung Bestiarium14 – Towards a new mythology of the Bundesstraße von Constructlab.

18.09.2021 / 17.00 Uhr FIRE!

Die Künstlerin Gwendoline Robin aktiviert den Marienplatz für einen kurzen Moment ganz in seiner Tradition der Manege. Die Künstlerin erschafft für CURRENT im generationenübergreifenden Skulptur- und Pyrotechnik-Workshop gemeinschaftlich produzierte Kunstwerke, die – mit pyrotechnischen Effekten belebt – in einer öffentlichen Zeremonie feierlich verbrannt und so wieder zerstört werden.
FIRE!

Marienplatz
70178 Stuttgart

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