CURRENTLY #09
13. September 2021
Aus der Reihe »Der verstrahlte Hügel«: Strahlung/Wellen/Fragmente
Eine kleine Expedition betritt den riesigen Hohlraum im Ameisenberg, den 40 Millionen Liter Wasser im ehemaligen Speicher zurück gelassen haben.Der Strom wurde für drei Stunden wegen Bauarbeiten abgeschaltet, die Lichtstrahlen der Taschenlampe leuchten der Gruppe den Weg, was die Konzentration auf das Hörbare verstärkt.Für den Soundtrack sorgt die Shakuhachi und das lange Zurückschwingen ihrer Töne.
In meiner Vorstellung geht ein Strahl direkt geradeaus, von A nach B, von der Sonne zur Erde. Wird von Strahlung im physikalischen Sinne gesprochen, haben wir es allerdings häufig mit Wellen zu tun. Ein Merkmal von Strahlung kann ihre Unsichtbarkeit sein, welche oft ein Unbehagen auslöst, auch wenn die Wirksamkeit von Strahlung nicht notwendiger Weise gefährlich oder schädlich ist. Das Adjektiv „verstrahlt“ meint die Kontaminierung durch Strahlung, wie auch einen Zustand der Entrücktheit, hervorgerufen beispielsweise durch die Wirkung psychoaktiver Substanzen, spiritueller Erfahrungen, oder anderer Einflüsse, die das bei sich Sein beeinträchtigen und einen Parallelzustand initiieren, der für die Anderen nicht sichtbar ist. Eine weitere Technik des Unsichtbarmachens ist die Verdrängung. Hierbei wird etwas real Existentes aus dem Sichtfeld gebracht, ganz im Gegensatz zur Verstrahltheit, bei der scheinbar nicht-existente Dinge gesehen und erfahren werden können.
Ein Hügel ist eine natürlich entstandene, oder eine künstlich geschaffene Anhöhe in der Landschaft, sie ist kleiner als ein Berg und nicht wesentlich länger als breit. Vom Menschen erschaffene Hügel, wie keltische Gräber oder Abraumhalden haben automatisch eine kulturelle Relevanz, aber auch das Bewohnen natürlicher Hügel spielt kulturgeschichtlich eine Rolle, zum Beispiel eine strategische, um rechtzeitig sehen zu können wer kommt und vielleicht auch warum. Auf dem Hügel, wo sich unser Atelier befindet hört man sehr selten den Motor eines Rasenmähers, obwohl es in der Umgebung viele Gärten gibt. Vermutlich beherbergen diese Gärten wenig Rasenflächen oder der Rasen wird nicht gemäht und es wachsen Wiesen, die dann mit der Sense geschnitten oder vom Vieh (Gänse, Kühe) beweidet werden oder die Gräser sterben ab, kompostieren und werden in einem unendlichen Kreislauf Dünger für die folgenden Vegetationsgenerationen. Sowie für den Sequoiadendron, für den sich dieser Kreislauf bereits seit über 100 Jahren wiederholt und der auf dem Gelände der Villa Hauff in direkter Konkurrenz zum Gebäude steht und so ein Gegenmodell zu diesem und vor allem zum Bunker und Gänge-System (das sich Spekulationen zu Folge unter der Villa befinden soll) darstellt.Spekulation, Legende und Mythos sind nicht das Gleiche, aber doch in gewisser Weise miteinander verwandt.
Claude Lévi-Strauss schrieb: Mythen haben keinen Autor, sobald sie als Mythen wahrgenommen werden, was immer ihr Ursprung sein mag, gibt es sie nur in einer Tradition verkörpert. Wenn ein Mythos erzählt wird, empfangen die Hörer:innen eine Botschaft, die eigentlich von nirgendwoher kommt; dies ist der Grund, weshalb man ihm einen übernatürlichen Ursprung zuschreibt.